Texte d’Anne Funke / Exposition
« Sous les racines »

Odile Villeroy et Claire Jolin : « Sous les racines »
Ausstellung Atelier Museum Haus Ludwig, Saarlouis, 29. März 2015

Mit ihren Arbeiten auf Papier treten Odile Villeroy und Claire Jolin in einen Dialog ein. Ich freue mich, diesen Dialog näher betrachten zu dürfen. Die französischen Künstlerinnen präsentieren sowohl jüngere, jüngste!, Arbeiten, als auch Ältere, die durch eine feinfühlige Hängung … neue Bedeutung gewinnen.

En préparant l’exposition commune d’Odile Villeroy et de Claire Jolin, j’ai été surprise par le titre « Sous les racines ». Accrochée par les travaux en noir et blanc des deux artistes, j’ai eu l’impression d’entreprendre un voyage vers le monde des ombres, le royaume des morts où tout gronde sourdement… impression accentuée par les titres d’Odile Villeroy, « Les Ecorchés », et celui de la composition de Claire Jolin, « L’œil du chien qui hurle dans la nuit », rappelant le choc visuel ressenti lors d’une projection du film « Un Chien andalou » de Luis Buñuel.

Der Titel der Ausstellung „Unter den Wurzeln“ hat in mir Assoziationen des Schreckens und der Trauer hervorgerufen. Bilder, die aus dem ästhetischen Repertoire der Kunstgeschichte stammen. Abbildungen aus dem Reich der Unwesen, des Unförmigen, des Todes. Illustrationen, die unsere Jugend begleitet haben, aus den Phantastischen Erzählungen von Edgar Allan Poe, den Grimm’schen Märchen oder den griechischen und bretonischen Sagen.

Aber der künstlerische Austausch, den Odile Villeroy und Claire Jolin schon im Herbst, in Creutzwald mit ihren „Images intérieures, den inneren Bildern“ begonnen haben, erschöpft sich nicht in diesen Gedanken. Beide sprechen zwar über die Verletzungen, die in ihren Werken zu finden sind, dies ist aber nicht die Aussage, die bei der Betrachtung ihrer Arbeiten zu spüren ist. Beide räumen ein, dass ihre Werke … Verletzungen wieder geben. Jedoch: Je mehr ich diese Werke betrachte, umso mehr erahne, spüre, entdecke ich in Ihnen.

Un étourdi qui ne s’y arrêterait que superficiellement pourrait bêtement penser que les biographies de ces deux femmes ressemblent… à de longs fleuves tranquilles. Cependant leurs œuvres montrent autre chose et entrouvrent une fenêtre sur leurs jardins secrets. Elles nous laissent nous approcher, mais pas trop. Leurs dessins, gravures et photos s’attachent à des détails, découpent l’ensemble. Tant des arbres et des murailles dessinés par Odile Villeroy que des visages et des reins fixés par Claire Jolin, nous ne voyons jamais le motif entier, ce qui exacerbe particulièrement notre imagination.

Die eher kleinen Bildausschnitte der beiden Künstlerinnen fordern unsere Fantasie auf, das unsichtbare Ganze zu sehen. Aus der winterlichen Schwermut heben sich die Sujets von Claire Jolin und Odile Villeroy mit aller Macht hervor. Sie wecken die unter den Wurzeln konzentrierte Kraft auf. Es ist eine Urgewalt, Demeter oder Gaia, Muttererde, die aus einem winzigen Samenkorn einen Baum wachsen lässt, befreienden Schreien Luft schenkend. Lachende Stämme und tanzende Bäume, das Leben entspringt den Felsen, vibriert auf der Haut.

Matthieu Villeroy beschreibt ein der Bilder seiner Mutter wie folgt : „Arrimé, une première prise, puis une seconde, le lierre s’assure des lignes de vie. Peu importe le sens de la marche. Seul le mouvement compte. ». „Verankert, ein erster Griff, dann ein zweiter, der Efeu sichert sich mit Lebenslinien. Die Richtung ist bedeutungslos. Die Bewegung allein … nur die Bewegung zählt.“ Und dass ist es! Der Impuls, der uns immer wieder zwingt, uns neu zu definieren, das ist die Bewegung, die beide Künstlerinnen hier darstellen wollen: Unter der Haut, unter den Wurzeln – das Leben!

Avec le mouvement revient le printemps, du noir, au noir et blanc, puis en touches de couleurs au milieu des contrastes marqués et des flous hésitants, les motifs de Claire Jolin et d’Odile Villeroy s’animent d’un tableau à l’autre.

Zarte anthropomorphe Motive der Fotografin folgen leichten floralen Ornamenten in einem sinnlichen Tanz, die sich in den eng verschlungenen Bäumen und verzahnten Steinen von Odile widerspiegeln.
Souvenir éphémère de douces caresses, tendresse d‘un effleurement léger…

Während sie früher die Zeichnung für ihren schnellen und spontanen Ausdruck der Gefühle bevorzugte, verbringt Odile Villeroy heute mehr Zeit mit der Radierung. Diese Technik, gleich ob Kaltnadel oder Ätzradierung zwingt zum strukturierten Aufbau. Dennoch, während des Arbeitsprozesses bleibt viel Raum für unkontrollierbare Entwicklungen auf der Platte oder auch während des Druckvorgangs. Gerade diese Freiheit im Schaffensprozess bildet den Reiz für Odile Villeroy und lockt sie immer wieder zu weiteren Experimenten, die wir hier in zahlreichen Facetten beobachten können.

Sie ist in ihrem Entdeckungsdrang an dieser Stelle Claire Jolin besonders nah. Tatsächlich muss auch die Fotografin durch die von ihr gewählten Fototechniken mit dem Unerwarteten rechnen: Die große Vielfalt der Ergebnisse steht in Kontrast zu der Präzision des Drucks auf dem Papier und zur samten aussehenden Oberfläche. Die Worte Claire Jolins gelten für beide Künstlerinnen : « Je crée une distance entre l’image et la réalité pour que chacun puisse s’y projeter. Cet espace flotte entre la photo au mur et l’observateur. »

C’est à cet endroit que s’effectue le meilleur du dialogue entre les œuvres des deux artistes et le métamorphose en lieu de stimulation de l’imaginaire. Codes, traditions et fantasmes s’entremêlent, vont s’enfoncer dans l’humus chimérique pour y prendre racine. Claire Jolin y voit « Un monde merveilleux où les dieux, les enfants-rois, les hommes-bêtes et les anges-démons se côtoient. ».

Odile Villeroy et Claire Jolin, ces deux rêveuses aux yeux grands ouverts, nous invitent à mélanger nos rêveries avec les leurs en poursuivant cet échange devant leurs œuvres.

 

(Laudatio : Anne Funke, Dr. phil., Kunsthistorikerin M.A.)